Portrait Dimitré Dinev
Foto: Rainer Werner

Dimitré Dinev

geboren 1968 in Bulgarien, besuchte das Bertolt­-Brecht-Gymnasium in Plovdiv; ab 1986 erste Veröffentlichungen in bulgarischer, russischer und deutscher Sprache. 1990 Flucht nach Österreich, Studium der Philosophie und der russischen Philologie in Wien. Sein erster Roman, Engelszungen (2003), wurde mehrfach ausgezeichnet. Lebt als freier Schriftsteller in Wien. Die Erzählungen Ein Licht über dem Kopf sind 2005 im Deuticke Verlag erschienen.

Die Zeit an der Nordküste verbrachten sie hauptsächlich an dem gut abgeschirmten, für andere Badegäste unzugänglichen Strand des Zentralkomitees der Partei. Dort war jeder Bademeister Unteroffizier der Staatssicherheit, jeder Eisverkäufer bei der Spionageabwehr, und sogar die Bojen standen unter dem Verdacht, einen Dienstgrad zu besitzen. Sonst war es ein Strand wie jeder andere. Nur, dass die Körper der Mächtigen darauf lagen und schwitzten und erröteten und sich schälten. So wie die Körper des Volkes. Aber das Volk sollte die Körper der Mächtigen lieber nicht nackt sehen. Denn wer das Volk kannte, der wusste, wie gern es Geschichten verbreitete, wie gern es lachte, wie schnell es seinen Respekt verlor und, was das Gefährlichste war, seine Angst. Die kommunistische Partei kannte das Volk gut, also schirmte sie ihre Strände vor ihm ab. Und das Volk ging woanders hin, einen Grund zum Lachen zu suchen.

Aus: Engelszungen. Deuticke 2003




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