Portrait Tina Uebel
Foto: Stefan Malzkorn

Tina Uebel

lebt, wenn sie nicht gerade die Welt bereist, in Hamburg. Autorin, freie Journalistin, Literaturveranstalterin, Reisebloggerin und Expeditionschronistin; ausgezeichnet mit dem Hubert-Fichte-Preis 2012. Mehrere Romane: Ich bin Duke (2002), Horror Vacui (2005), Die Wahrheit über Frankie (2009), Last Exit Volksdorf (2011) und Reiseberichte: Nordwestpassage für dreizehn Arglose und einen Joghurt (2013), Uebel unterwegs. Skurriles und Bemerkenswertes vom Landweg Hamburg–Shanghai (2016), Die S.E.A.-Expedition – Eine antarktische Reise auf Shackletons Spuren (2016).

Ich steige die letzten Meter zum Pass an den Tridents hoch, und der Ausblick ist, um ein abgegriffenes Wort zu benutzen, weil mir gerade vor lauter Ausblick kein besseres einfällt, atemberaubend. Jäh fällt der Hang ab hinunter zum Crean-Gletscher, etwa 300 Meter. Der Crean-Gletscher wiederum stürzt sich in einem wilden Tumult von Spalten in die Antarctic Bay, die so heißt, weil die Landschaft eisig und wild ist wie in der Antarktis selbst. Leere Weiten. Ich staune und hole tief Luft, weil, wie gesagt: atemberaubend. Welch fantastischer Ort, wie kann es nur sein, dass ich wirklich hier bin. Weil ich es wollte. Immer schon und unbedingt. Ich habe den Lockruf der leisen Stimmen gehört, seit ich denken kann. Welch ungeheuerliches Privileg, hier zu sein. Wie ungeheuerlich weit weg dieser Ort ist. Wir sind auf einem Schiffchen hergereist, das so klein ist, man würde es von hier oben nicht erkennen. Eine Mischung aus Demut gegenüber der gewaltigen, unsereins gegenüber indifferenten Natur, und der jubilierenden Allmacht, hierhergekommen zu sein; [...] Ich bin dort hingekommen, wo ich immer hinwollte. An einen dieser Orte, von denen die leisen Stimmen flüstern. Es ist unglaublich schön. Frisch gemachter Berg. Und niemand hier, keiner außer uns, der Ozean dort draußen jenseits der Antarctic Bay leer, als wäre der Mensch nie erfunden.

Aus: Die S.E.A.-Expedition – Eine antarktische Reise auf Shackletons Spuren. Malik: München 2016




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