zu Literatur und Musik

Betonen möchte ich an erster Stelle, dass die Sprache eine Sprache ist und Musik keine Sprache, sondern eben Musik - da ihr die „semantische Dichte“ (Eco) fehlt. Um es ganz einfach zu formulieren: „Die Musiker müssen sagen, was die Töne und ihre Kombinationen „darstellen““, so Benveniste, weil: „Das System unterliegt seiner eigenen Interpretation, ohne möglichen Zusammenhang mit einem Bezugssystem.“ (Benveniste: Letzte Vorlesungen, S. 57) Und dennoch „existieren enge verwandtschaftliche Beziehungen“ (Eco). Diese Beziehungen könnte man nun genau nachzeichnen und darlegen, ich möchte aber einen eigenen Gedanken beschreiben. Dafür ist zuerst noch einmal Benveniste notwendig, der die Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache nachzeichnet: zwischen Schrift und Rede. Beide übersetzen aus der sogenannten inneren Sprache, wobei diese innere Sprache als Totalität gedacht wird und „schnell und unzusammenhängend“ ist, „weil man sich selbst immer versteht“ (S. 67). Beschrieben wird diese innere Sprache wie ein Strom aus Sprache, Bildern, Geräuschen, allen möglichen Elementen. Und – so Benveniste – es ist einfacher, diese innere Sprache in Schrift zu bringen, als in Rede aus sich herauszuübersetzen. Die Schrift steht in ihrer ebensolchen Totalität der inneren Sprache näher als der Rede, die sich mehr verbiegen, individuell an jeweilige Adressat_innen und situationsadäquat sehr schnell herausübersetzt werden muss, dem individuellen Gegenüber angepasst. Dies unterliegt vielleicht einem größeren Gewaltakt, um hier eine Brücke zu Sibylle Krämer zu schlagen.

Musik ist – in meinem Verständnis – dieser Totalität von innerer Sprache sehr ähnlich, sehr nahe, oder vielleicht liegen sie sogar ineinander, sind derselbe Strom, gedacht wie ein großer Strom, der aus Sprache und Musik und Bildern und eben einfach allem im Inneren besteht, aus der sich die Rede komplizierter und aufwendiger verknüpft und herausübersetzt, die Schrift jedoch fließend mit der inneren Sprache übertragen wird.

Für mich erklärt sich so (auch), warum Musik zu hören für mein Schreiben, den tatsächlichen Schreibakt, notwendig, wenn nicht obligat ist. Schreiben und das Hören von Musik sind für mich unauflöslich verknüpft, sie hängen aneinander, symbiotisch, wie auch Pilz und Alge erst gemeinsam zur hartnäckigen Flechte werden, sich ergänzen. So etwa wird mir der abermalige Einstieg in einen Text, an dem ich arbeite, erleichtert, da die Musik sehr stark verbunden ist mit „Erinnerungen“ - als gäbe es dadurch Anker zur inneren Sprache und zu einem Stil oder einer Form, die unmittelbar abgerufen werden können.

Dies bedeutet (in meinem Fall) auch, dass das Schreiben dann affektiv wird: ein bisschen mehr Fühlen, und nicht Denken, ein „Fließen lassen“, aus diesem Strom unmittelbar heraus.

Lydia Haider

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