Portrait Josef Haslinger
Foto: Jürgen Bauer

Josef Haslinger

geboren 1955 in Zwettl; lebt in Wien und Leipzig. Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, Professor für Literarische Ästhetik und Direktor des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Mitbegründer der Antirassismus-Initiative „SOS Mitmensch“. Autor von Erzählungen, Romanen und Essays, u.a. Politik der Gefühle (1987), Opernball (1995), Das Vaterspiel (2000), Zugvögel (2006), Jáchymov (2011).

Kunst und Politik sind heute in Westeuropa weitgehend getrennte Sphären. Dennoch haben sie Berührungspunkte. Von der Politik aus gesehen, sind es kaum noch mehr als Fragen der Kulturpolitik und ihrer Finanzierbarkeit. […] Von seiten der Kunst sieht die Sache jedoch anders aus. Von welcher Erfahrung könnte man mit Sicherheit behaupten, daß sie gänzlich jenseits der politischen Koordinaten läge? Von der Liebe? Vom Tod? Lebt nicht ein Gutteil der Liebesliteratur gerade davon, daß Politik und Liebe sich in die Quere kommen? Und sind nicht die Arten des Sterbens, manchmal in direkter, vielfach aber in indirekter Weise von den politischen Umständen tangiert?
Unser Erfahrungsraum ist immer auch ein politischer. Man muß dem als Autor keine gesonderte Beachtung schenken, man kann aber nicht verhindern, daß die Erfahrung des Lesers solche politischen Koordinaten miteinschließt. Warum soll zudem ein Autor, dem Politisches wichtig ist, bei der Abfassung seines Textes nicht darauf Bedacht nehmen?

Aus: Hausdurchsuchung im Elfenbeinturm, S. Fischer 1996

© 2003-2017 Innsbrucker Wochenendgespräche - E-Mail - Impressum